Donnerstag, 19. Oktober 2017

Vereinigung und Unabhängigkeit

Wieso bist Du für die Unabhängigkeit? Du bist doch gar ncht hier geboren!          

Ich habe zwei Gründe: Erstens haben die Katalanen mich immer wie eine Katalanin behandelt, und das hat mich überzeugt.  Zweitens hat der spanische Staat mich immer wie eine Katalanin missshandelt, und so habe ich mich entschieden

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Wie ist es möglich, daβ Menschen, die nach Frieden und Vereinigung der Menschen streben, sich für die Unabhängigkeit eines Landes einsetzen? Wollen wir nicht eigentlich vereinen statt zu trennen? Für jemanden, der die katalanische Geschichte, das katalanische Volk und die katalanische Gegenwart innerhalb Spaniens nicht oder nur oberflächlich kennt, ist das allerdings schwer nachvollziehbar. All das hier in einem begrenzten Rahmen abzuhandeln ist unmöglich. Aber ein Vergleich könnte die Angelegenheit veranschaulichen.

Stellen Sie sich eine Ehe vor zwischen einem katholischen Mann und einer katholischen Frau, also ein unlösbarer heiliger Bund zweier Menschen. Bei der Heirat ging der gesamte Besitz der Frau in die Hände des Mannes über. Nach ein paar Jahren verweigert er ihr das Recht, über ihre eigenen Belange zu entscheiden: du gehörst mir und das, worüber du entscheiden willst, auch. Da hast du gar nichts zu sagen. Von deinen Groβeltern, deinem Vater und deinem groβen Bruder kannst du keine Unterstützung mehr erwarten, die habe ich bereits umgebracht. Wenn du weiter meckerst, werde ich auch deine Mutter und deine anderen Geschwister umbringen.

Die Jahre vergehen, und da die Mutter in hohem Alter inzwischen verstorben ist, will die Frau diese Ehe nun beenden. Von ihren Geschwistern wird sie  in diesem Bestreben unterstützt. Der Mann will davon nichts wissen, sperrt ihre Konten, schlägt sie zusammen, verleumdet sie und sperrt sie ein. Seinen Stammtischgefährten ist sein Verhalten zwar unangenehm, aber sie reden von nichts anderem als dem unlösbaren Bund der heiligen Ehe, an den man sich schlieβlich halten muβ, und daβ die Schwierigkeiten doch im Privatleben des Paares gelöst werden sollten. Eines Tages rutscht es einem der Stammtischbrüder aber doch heraus: wenn man die Rechtmäβigkeit der Ansprüche der Frau anerkennen würde, würden vielleicht auch die Ehefrauen der anderen Stammtischbrüder dem Beispiel dieser Frau folgen wollen.

Rechtmäβig ist der Anspruch Spaniens auf Katalonien keinesfalls. Die Annulierung eines Bundes unter derartigen Umständen sollte eigentlich reine Formsache sein. Die hauptsächliche Schwierigkeit liegt darin, daβ Spanien einerseits die Andersheit Kataloniens leugnet, sich aber andererseits ständig von ihr bedroht fühlt. Die Katalanen haben eine ganz andere Kultur als die Spanier; das ist ganz offensichtlich für jeden der sich die Zeit nimmt, hinzuschauen. Katalanen folgen dem Grundsatz: wenn man miteinander redet, kann man einander verstehen. Das heiβt, sie können auch zuhören, um zu wissen, mit wem sie umgehen, und was für andere wichtig ist. Möglicherweise haben sie die Kunst des Verhandelns entwickeln können, weil Spanien es ihnen verboten hatte, an der Eroberung Amerikas teilzunehmen, für die beinahe der gesamte Waldbestand der iberischen Halbinsel abgeforstet wurde, um Schiffe zu bauen und „El Dorado“, die güldene Stadt, zu finden. Viel fruchtbarer Boden ging ohne Waldbestand durch Erosion verloren, so daβ die Erde unter einer starken Tendenz zur Verwüstung leidet. Brandstiftung, um die Freigebung von Böden zur Bebauung zu erwirken, trägt in modernen Zeiten ein weiteres dazu bei.

Die ständigen Versuche, die Kultur Kataloniens zu unterdrücken und die Kultur Spaniens mit Gewalt dort durchzusetzen, machen den spanischen Anspruch auf Katalonien zum Anspruch eines Eroberers auf eine Kolonie. Tatsächlich ist Katalonien nie wirklich zu einem Teil von Spanien geworden, auch nicht von spanischer Seite gesehen. Man braucht sich nur anzuschauen, was die Spanier im Laufe der Jahrhunderte über Katalanen gesagt haben. Sie wurden stets als anders angesehen, und immer als Bedrohung. Doch was bedrohlich an den Katalanen ist, ist die unbewuβte Schuld des Miβbrauchtreibenden, der sie nicht aushält und sie darum verleugnet und auf die Miβbrauchten projiziert.

Aus der Sicht dieser selbsternannten internationalen Beobachterin des katalanisch-spanischen Konflikts ist die Geschichte so heftig und eindeutig anderwo nicht gegeben. Das mag an meiner Unwissenheit liegen. Aber mein Vorschlag an die Herren Stammtischbrüder ist es, vom Fehlverhalten ihres Gefährten zu lernen. Wenn man eine gute Beziehung mit Menschen haben möchte, dann täte man gut daran, diese Menschen in ihrer Besonderheit kennenzulernen, ihnen zuzuhören, sich ihre Wünsche und Ängste zueigen zu machen, um Wünsche im Bereich des Möglichen erfüllen zu können und Beistand gewähren zu können, wo Angst herrscht. Doch selbst das würde in diesem besonderen Fall nichts mehr nützen. Das Verhältnis zwischen Spanien und Katalonien war von dem Moment an zum Scheitern verurteilt, als die spanischen Länder zu einem Land wurden und Spanien begann, die Selbstverwaltungsbefugnisse des katalanischen Volkes gewaltsam zu unterdrücken und die zentralistische Ordnung, die die spanische Regierung charakterisiert, durchzusetzen. 

Eine Charakteristik des katalanischen Volkes ist seine Fähigkeit andersartige Menschen in die Gesamtbevölkerung zu integrieren. Die Spanier, die in Katalonien leben, brauchen sich diezbezüglich keine Sorgen zu machen. Auch erscheint es dieser selbsternannten internationalen Beobachterin, daβ niemand Grenzen ziehen will, wo bisher keine waren. Es dreht sich vielmehr darum, die Zuständigkeit für das eigene Land zu übernehmen. Ein gutes Verhältnis zwischen Spanien und Katalonien wird man schaffen können, sobald Spanien die katalanische Souveränität anerkennt.

Die Verleugnung der Andersartigkeit eines Menschen oder eines Volkes ist Gewalttätigkeit, ob durch Waffen, Gesetze oder Verfassungen. Gesetze und Verfassungen sind dazu da, das gesellschaftliche Zusammenleben zu regeln und Respekt und Gleichberechtigung im Umgang der  Mitglieder einer Gemeinschaft miteinander zu sichern. Gesetze, die diesem Zweck entgegenstehen, sind auf Dauer nicht haltbar, denn statt das Zusammenleben aller zu regulieren, fördern sie den Untergang der Gemeinschaft insgesamt.

Die einzig archetypisch kohärente Lösung des spanisch-katalanischen Konfliktes ist die Anerkennung der katalanischen Souveränität. Auch wenn es der spanischen Regierung schwerfällt, kann sie die Schuld des Miβbrauchtreibenden nur begleichen, indem sie Schritte unternimmt, um die verletzte Beziehung zu reparieren. Nur dann wird die spanische Gesellschaft sich umorganisieren können, um gemeinsam mit einer souveränen katalanischen Bevölkerung einen Beitrag zum Bestand der europäischen Gemeinschaft leisten zu können. Wenn aber die Schuld der spanischen Regierung weiterhin verleugnet wird, wird sie durch Fehlleistungen, Bankrott, Versagen und Erfolglosigkeit zu Tage treten, wahrscheinlich nicht nur in Spanien und Katalonien, sondern am europäischen Stammtisch insgesamt. Aus der Welt schaffen kann man diese Schuld nicht, selbst wenn es Spanien gelänge, jeden einzelnen Katalanen unter die Erde zu bringen, was höchst unwahrscheinlich ist. Ein katalanisches Sprichwort besagt, daβ jeder Katalane, der unter die Erde gebracht wird, zu einer Handvoll von Samen wird. Und aus jedem einzelnen davon werden dann neue Katalanen wachsen.

Für jemanden, der sich für Frieden und Vereinigung der Menschheit einsetzt, ist es also geradezu unabdinglich, die katalanische Bestrebung nach Unabhängigkeit zu unterstützen, denn Frieden und Vereinigung sind unmöglich, wenn ein Volk gegen seinen Willen gezwungen wird, an einem Staat teilzunehmen, noch dazu, wenn dieser Staat Rechtmäβigkeit verhöhnt, wie es die gegenwärtige spanische Regierung tut. Als souveräne Nation wird Katalonien mit aller Sicherheit einen wertvollen Beitrag zum friedlichen Zusammenleben aller Völker und zur Vereinigung der Menschheit leisten. Die einzigen, die sich davon bedroht fühlen, sind diejenigen, die bisher ungestraft in die eigene Tasche gewirtschaftet haben.
 
Brigitte Hansmann
Angewandte Sprachwissenschaften
Archetypische Musteranalyse
DFA Somatische Mustererkennung
Strukturelle Integration
www.dfa-europa.com

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