Samstag, 31. März 2018

An das Oberlandesgericht und die Generalstaatsanwaltschaft von Schleswig-Holstein


Sehr geehrte/r Frau/Herr Richter/Staatsanwalt,
Bitte beachten Sie bei Ihrer Entscheidung im Auslieferungsverfahren gegen den demokratisch gewählten sehr ehrenwerten Präsidenten Carles Puigdemont i Casamajó, daβ die durch den spanischen Staat betriebene Kriminalisierung der katalanischen Regierung gröβtenteils auf der Verleugnung der eigenen Schuld beruht für eben die Verbrechen, die den katalanischen Führungskräften vorgeworfen werden, ganz abgesehen von böswilliger Verleumdnung. Ganz besonders wichtig für uns als deutsche Staatsbürger ist es zu erkennen, daβ auch die deutsche Gesellschaft einen Teil dieser Schuld zu tragen hat. 

Der bewaffnete Aufstand und Hochverrat gegen die demokratisch gewählte Regierung, die in Spanien stattfand, wurde unter aktiver Beihilfe des nationalsozialistischen Deutschland durchgeführt. Diese Verbrechen gegen die Menschheit wurden in Spanien niemals anerkannt, geschweigedenn gebüβt. Rechtsprechung und Gesetzgebung liegen weiterhin weitgehend in den Händen der Erben des mit Nazi-deutscher Hilfe an die Macht gebrachten Regimes.  

Worte wie Verfassungstreue oder Rechsstaat, auf die sich die spanische Regierung und auch der deutsche Regierungssprecher immer wieder berufen, wurden durch ständige Wiederholung angesichts der offenkundigen Verfassungswidrigkeiten der spanischen Vorgehensweise, die in klarem Widerspruch zur angeblichen Rechtsstaatlichkeit des spanischen Staates stehen, zu bedeutungslosen Clichés, denn im Verhalten der spanischen Regierung kommen diese Konzepte in keinster Weise zur Geltung. Im Gegenteil, die Zahl der Verbrechen der spanischen Regierung ist schwindelerregend hoch; die eigene verleugnete Schuld wird jeweils auf politische Gegner projiziert. 

Was seitens des spanischen Staates als Veruntreuung öffentlicher Gelder ausgelegt wird, wurde in Erfüllung des Mandats verausgabt, für das die in Spanien inhaftierten und in Europa im Exil befindlichen Mitglieder der katalanischen Regierung mehrheitlich gewählt wurden. Anderseits ist vom spanischen Staat ein vielfaches der fraglichen Summe für repressive, gewaltsame Maβnahmen gegen eine friedliche Bevölkerung veruntreut worden, von unzähligen Korruptionsverfahren und der Plünderung der Persionsreserven mal ganz abgesehen. 

Die in der spanischen Verfassung verankerte Klausel über die unteilbare Einheit des spanischen Vaterlandes, auf der die gesamte Argumentation der Illegalität und Illegimität gegen die katalanischen Souveränitätsbestrebungen basiert, wurde unter Androhung von Waffengewalt in die Verfassung aufgenommen (das Militär saβ mit gelandenen Waffen im Nebenzimmer), ist aber an sich verfassungswidrig, denn sie steht im Widerspruch zu den internationalen Abkommen über das Recht der freien Selbstbestimmung der Völker, die gemäβ der spanischen Verfassung vorrangig zu betrachten sind. 

Die seitens des spanischen Staates verfochtene Behauptung, daβ das katalanische Volk kein Volk sei, kann man nur als Indiz für eine vom spanischen Staat verfolgte Genozid-Bestrebung betrachten. Über den Tatbestand der Tötung und Geburtenkontrolle hinausgehend, wird Genozid folgendermaβen definiert:
„ein koordinierter Plan verschiedener Aktionen, der auf die Zerstörung essentieller Grundlagen des Lebens einer Bevölkerungsgruppe gerichtet ist mit dem Ziel, die Gruppe zu vernichten. […] Genozid hat zwei Phasen: Eine erste, bei der die typischen Eigenschaften und Lebensweisen der unterdrückten Gruppe zerstört werden, und eine zweite, bei der die Eigenschaften und Lebensweise der unterdrückenden Bevölkerungsgruppe der unterdrückten aufgezwungen werden. Diese Aufzwingung wiederum kann erfolgen, indem die unterdrückte Bevölkerungsgruppe bleiben darf, oder sie wird sogar nur dem Gebiet allein aufgezwungen, indem die Bevölkerung beseitigt wird und eine Kolonisierung dieses Gebiets durch die unterdrückende Bevölkerungsgruppe folgt.“ (Samantha Power, A Problem from Hell, p. 43)

Beide Phasen sind in Katalonien gegeben, haben jedoch dank der auβerordentlichen Widerstandskraft und Resilienz der katalanischen Bevölkerung im Laufe der Generationen nur einen begrenzten „Erfolg“ erzielt, was nicht zuletzt auch auf ein grundlegendes Merkmal der katalanischen Kultur zurückzuführen ist, das auf Zusammenhalt basiert. 

Die Tatsache, daβ trotzdem eine relativ groβe Anzahl katalanischer Bürger sich Spanien zugehörig fühlt, liegt weitgehend an den Genozidmaβnahmen der Vergangenheit, wobei Millionen von Menschen aus den verschiedenen Provinzen Spaniens in Katalonien angesiedelt wurden, die Katalanen und alles Katalanische ablehnten, höchstwahrscheinlich aus Neid. Die katalanische Kultur basiert auf Integration aller Neuankömmlinge, doch wenn diese sich nicht integrieren wollen, wie es bei vielen spanischen Zugezogenen der Fall war, kann auch die beste Integrationspolitik das nicht ändern. Diese Haltung der Katalanen, die aus Spanien angesiedelt wurden, um die katalanische Bevölkerung spanisch zu machen, gehören in diesem Sinne zu den Genozidbestrebungen des spanischen Staats. 

Die damit zusammenhängende Schuld ist höchst schwerwiegend. Sie einzugestehen ist dementsprechend schwer und erfordert eine groβe emotionale Reife. Aber ohne ein Eingeständnis dieser Schuld wird ein wahrer Zusammenhalt der Völker nicht möglich sein, nicht in Spanien, nicht in Europa, nicht in Deutschland. 

Bitte sprechen Sie sich gegen eine Auslieferung unseres sehr ehrenwerten Präsidenten Carles Puigdemont i Casamajó aus, denn eine solche wäre vom Standpunkt einer archetypischen Musteranalyse aus gesehen Beihilfe zu den vom spanischen Staate betriebenen Genozidbestrebungen.

Ich formuliere mein Anliegen als eine persönliche Bitte, jedoch ist es eher ein wohlgemeinter Rat, denn im Laufe der Jahrhunderte hat die spanische Haltung den spanischen Staat immer wieder ins Bankrott gestürzt, mehr als zwanzig mal. Wenn Spanien weiterhin in dieser Haltung unterstützt wird, macht Deutschland sich nicht nur mitschuldig sondern läuft auch Gefahr, selbst ins Bankrott mitgerissen zu werden. Die menschliche Seele hält Ungerechtigkeit auf Dauer nicht aus.

Es besteht kein Zweifel, daβ eine freie Republik in Katalonien zu einer treibenden Kraft des Zusammenhalts in Europa werden würde, den gemäβ der Regierungsansprache der Kanzlerin und Koalitionspartnerin auch die deutsche Regierung anstrebt. Auch Spanien könnte dann eine gesundere und rechtmäβigere Einstellung entwickeln zum Wohle aller Beteiligten.

Mit freundlichen Grüβen,
Brigitte Hansmann

Ein ähnlicher Brief ging an das Bundeskanzleramt, z. Hd. der Bundeskanzlerin Angela Merkel  



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